Die Geschichte

der Finca San Carlos

Nachdem Mitte des 19. Jahrhunderts Kolonialwaren, wie Kautschuk, Baumwolle, Kakao, Kaffee, Tee und andere eine wachsende Nachfrage in Europa und Amerika erfuhren wurde auch ihr Anbau immer wichtiger. In dieser Zeit zog es daher auch viele mutige Auswanderer aus Europa in die bereits besiedelten Gegenden Nordamerikas, aber auch in die teilweise noch recht unberührten Urwaldregionen Mittel- und Südamerikas. Bereits die Reise dorthin per Schiff war beschwerlich – die allgemeinen Lebensumstände ohne fließendes Wasser, Elektrizität oder medizinischer Versorgung allerdings auch.

Indios bei der Feldarbeit
Indios bei der Feldarbeit

Mein Großvater Ludwig Hotzen reiste mutig als Mitte-Zwanzigjähriger zunächst nach Texas, wo er mit einem Partner zwei Jahre lang mit Baumwolle handelte. Als ältester Sohn einer eingesessenen und welfentreuen Familie aus Hannover und nach einer Ausbildung zum Offizier sorgte sein Entschluss, sein Glück in Übersee zu versuchen, nicht nur für Zustimmung in der Familie. Diese erste kaufmännische Unternehmung in U.S.A. war leider nicht von Erfolg gekrönt und so entschied sich mein Großvater 1902 nach Brasilien zu reisen. Im Amazonasgebiet wurde für die aufkommende Automobilproduktion Kautschuk angepflanzt, der für die Gummireifen nötig war. Also heuerte er bei einer englischen Gummifabrik an und sorgte dafür, dass der Kautschuk aus dem Urwald geholt und auf die Schiffe nach Europa exportiert wurde. Nach etwa 2 Jahren als Repräsentant der Firma vor Ort kehrte er nach Europa zurück um dann bald wieder aufzubrechen – dieses Mal war Mexiko das Ziel. Hier hatte im Süden des Landes, in den Subtropen, die Anlage von Kaffeeplantagen sowie der Anbau von Kaffepflanzen begonnen. Einige deutsche Auswanderer hatten sich bevorzugt in Chiapas niedergelassen und begründeten die kleine Enklave, die auch heute noch den Namen ‚Nueva Alemania’ trägt. Hier arbeitete mein Großvater nun zunächst für unterschiedliche amerikanische Firmen: Er legte Pflanzungen an und verwaltete die Kaffeeplantagen.

Ludwig Hotzen 1936, Frida Hotzen geb. Hüper 1928
Ludwig Hotzen 1936, Frida Hotzen geb. Hüper 1928

Frida Hotzen geb. Hüper, meine Großmutter, lernte er bei einem Besuch in Mexiko Stadt kennen. Sie war als Kindermädchen der Familie des deutschen Botschafters ins Land gekommen und nach der Heirat begleitete sie ihn auf die Fincas in Chiapas.

Die Großeltern 1913 in Chiapas
Die Großeltern 1913 in Chiapas

Dort im Dschungel kamen dann 1915 mein Onkel Adelbert und 1917 mein Vater Otto auf die Welt. Meine Großmutter war die treibende Kraft bei der Entscheidung eine eigene Plantage zu erwerben und Wurzeln im Land zu schlagen.

Im Jahr 1922 erwarb dann mein Großvater die Finca San Carlos. Zu diesem Zeitpunkt etwa wurden die schulfähigen Kinder zu Verwandten nach Deutschland gebracht. Dort besuchten sie dann bis zur ihren Abschlüssen ein Internat in Niedersachsen, an dem auch bereits einige andere Kinder von Familien aus Mexiko waren.

Mein Onkel und mein Vater konnten ihre Ausbildung noch in Europa beenden bevor sie kurz vor Kriegsbeginn als mexikanische Staatsbürger Deutschland in Richtung Mexiko verlassen mussten. Und obwohl sie durch die langjährige Trennung kaum ein Verhältnis zu ihren Eltern hatten, erwies es sich doch als großes Glück , daß sie ihre Eltern noch vor deren Tod eine kurze Zeit erleben durften.

Als Deutschstämmige wurden mein Onkel und mein Vater wiederum in der Zeit der Intervention in Mexiko enteignet und mussten die Finca ‚San Carlos’ verlassen. Sie durften nicht angestellt arbeiten und mussten sich selbständig beschäftigen. In dieser Zeit betrieb mein Vater eine kleine Kaffeerösterei in Guadalajara. Nach dem Krieg ordnete der damalige mexikanische Präsident Miguel Alemán die Rückgabe der enteigneten Betriebe an und so bekamen sie ‚San Carlos’ in völlig ruinierten Zustand zurück. In dieser Zeit begann für die Brüder zunächst eine gemeinsame Zeit auf ‚San Carlos’, doch bald kauften sie eine zweite Plantage, die Finca ‚La Victoria’ dazu. Nun übernahm mein Onkel ‚Victoria’ und mein Vater behielt ‚San Carlos’.

Otto Hotzen und sein Bruder Adelbert mit Onkel und Cousin 1954 in Chiapas
Otto Hotzen und sein Bruder Adelbert mit Onkel und Cousin 1954 in Chiapas

Das Leben auf den Fincas wurde schrittweise einfacher, die ersten Jeeps lösten das Reiten ab, die Anlagen wurden elektrifiziert und es gab ein Telegrafenamt auf der Nachbarpflanzung ‚Las Chicharras’. Das waren die Bedingungen unter denen dann Mitte der sechziger Jahre meine Mutter ‚San Carlos’ kennenlernte. Da war sie kaum eine kurze Zeit als junge, deutsche Touristin in Mexiko Stadt gewesen, als sie meinen Vater kennenlernte und nach wenigen Monaten heiratete.

Nachdem ich meinen Vater in den letzten zwanzig Jahren erfolgreich mit der Vermarktung und der Verwaltung der Finca unterstützte, haben wir nun die Finca in die Hände unseres langjährigen Verwalters und seiner Familie übergeben. Er führt die Finca mit ebenso viel Leidenschaft und umweltbewussten Engagement in unserem Sinne weiter.

Gesa Hotzen